Ein Gastartikel von Jan Schnedler, Rechtsanwalt der Kanzlei Grenius Rechtsanwälte für Startup-Recht und Autor des Buches Startup-Recht.
1. Gründen in der falschen Gesellschaftsform
Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) oder andere Gesellschaftsformen ohne Haftungsbeschränkung sind bei risikobehafteten Gesellschaftsmodellen nicht die richtige Gesellschaftsform. Grund dafür ist, dass zwar in erster Linie die GbR selbst mit ihrem Vermögen für alle Verbindlichkeiten und Schulden, die im Namen der Gesellschaft eingegangen wurden, haftet. Zusätzlich haftet für diese Verbindlichkeiten und Schulden der GbR grundsätzlich aber auch jeder Gesellschafter der GbR persönlich und unbeschränkt gesamtschuldnerisch mit dem gesamten Privatvermögen. Vergessen Sie nicht, dass der überwiegende Teil der Startups scheitert: daher müssen die Gründer im Worst-Case häufig selbst einen Privat-Insolvenzantrag stellen.
Die richtige Gesellschaftsform von innovativen Startups zu Beginn der Unternehmung ist daher fast immer die GmbH, selten auch die haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft oder die Aktiengesellschaft.
Wichtig ist auch, nicht zu lange nach der Aufnahme der Geschäftstätigkeit mit der GmbH-Gründung zu warten. Es kann komplizierter werden nachträglich, die vor Gründung bestehenden Assets, wie Marken, Urheberrechte, Patente und Kunden etc. in die GmbH einzubringen.
2. Firmen- oder Produktnamen werden nicht markenrechtlich überprüft und müssen später geändert werden
Firmen- und Produktnamen sind nicht selten erhebliche Werte des Startups. Überprüft man vor Nutzung einer Bezeichnung nicht, ob sie andere Rechte verletzt und gehen andere Rechteinhaber gegen die Benutzung der Bezeichnung für Produkte/Dienstleistungen oder den Firmennamen vor, kann dies sehr teuer werden. Falls es erst später zu einem Markenstreit kommt, wird aufgrund der Investition in die Marke mit der Zeit der eigene Schaden höher und auch die Schadensersatzsummen steigen. Das Verbot der Nutzung einer bereits etablierten Marke bedeutet immer auch einen Imageschaden.
Das Prozessrisiko (Rechtsanwalts- und Gerichtskosten) beim Unterliegen in einem Markenrechtsstreit liegt bei unbekannten Marken in der ersten Instanz bei mindestens € 8.000, oft bei € 10.000. Bei der Verletzung von bekannten Marken liegt das Prozessrisiko in der ersten Instanz meist über € 20.000, hinzu kommen die Zahlungen von Schadensersatz für den Inhaber der verletzten Marke sowie die Kosten des „Re-Brandens“ und gegebenenfalls die Vernichtung der Markenware und Briefpapier.
Es sollte daher immer vor Benutzung einer Bezeichnung eine so genannte Ähnlichkeitsrecherche durch professionelle Anbieter durchgeführt werden, die von einem Markenanwalt oder Anwalt für Gewerblichen Rechtsschutz ausgewertet wird. So genannte Identitätsrecherchen reichen nicht aus. In dem Zusammenhang sollte auch geprüft werden, ob das Startup selbst eine Marke anmelden kann.
3. Gründer führen keine Sozialversicherungsbeiträge ab, obwohl sie dazu verpflichtet sind
Eine Frage, die alle Startups klären sollten, ist, ob das Entgelt des Geschäftsführers oder der Geschäftsführer der Sozialversicherungspflicht unterliegt. Eine Fehleinschätzung kann zu erhebliche Nachzahlungen und Problemen, mit den Finanzämtern und ggf. auch mit der Staatsanwaltschaft, führen.
Um die Frage zu klären, müssen die Gründer zwischen Fremdgeschäftsführern (die keine Gesellschaftsanteile an der GmbH besitzen) und den Gesellschafter-Geschäftsführern (die an der GmbH als Gesellschafter beteiligt sind) differenzieren.
Gesellschafter-Geschäftsführer sind in der Regel nur dann nicht sozialversicherungspflichtig, wenn sie mehr als 50 Prozent der Anteile an dem Stammkapital der Gesellschaft halten oder aber weniger Gesellschaftsanteile halten, ihnen aber eine echte Sperrminorität im Gesellschaftsvertrag eingeräumt wurde. Dies bedeutet, dass eine Klausel im Gesellschaftsvertrag sicherstellt, dass ohne den Gesellschafter-Geschäftsführer keine Entscheidungen getroffen werden können. Damit hat er eine sogenannte beherrschende Stellung innerhalb des Startups und hat einen bestimmenden Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft.
Es kommt also immer auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an. Das wichtigste Kriterium, an dem die Sozialversicherungspflicht festgemacht wird, ist die Weisungsfreiheit. Das bedeutet, dass die Gesellschafterversammlung dem Gesellschafter-Geschäftsführer keine Vorschriften machen kann und er durch seine Mehrheit in der Gesellschafterversammlung faktisch nur sich selbst gegenüber verpflichtet ist.
Haben Sie als Gesellschafter-Geschäftsführer keine beherrschende Stellung und keine Mehrheit am Startup oder sind Sie ein Fremdgeschäftsführer ohne Beteiligung am Startup, sind Sie sehr sicher sozialversicherungspflichtig, da Sie im Sinne des Sozialversicherungsrechts abhängig beschäftigt sind.
Holen Sie sich in Zweifelsfällen professionellen Rat. Sind Sie sich unsicher, ob das Geschäftsführergehalt sozialversicherungspflichtig ist können Sie vorab eine Klärung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Geschäftsführers durch einen offiziellen Antrag bei der Deutschen Rentenversicherung oder dem gesetzlichen Krankenversicherungsträger feststellen lassen. Dies ist sehr zu empfehlen.
4. Gründer verteilen Gesellschaftsanteile neu oder beteiligen Mitarbeiter ohne steuerliche Optimierung
Jede (Neu-)Verteilung von Gesellschaftsanteilen ist in der Regel steuerlich relevant. Gründer wollen häufig Gesellschaftsanteile nach der Gründung anders oder an weitere Personen verteilen. Wird hierfür aber kein Betrag entsprechend der Unternehmensbewertung als Gegenleistung bezahlt, entsteht ein großes steuerliches Risiko. Insbesondere nach einer objektiven Bewertung des Startups, z. B. nach einer Finanzierungsrunde, gibt es einen Unternehmenswert, der steuerlich von Finanzamt für eine Besteuerung zugrundegelegt werden kann. Liegt die Bewertung eines Startups beispielsweise bei 5 Mio. Euro sind 10 Prozent der Geschäftsanteile 500.000 Euro wert. Wird lediglich der Nominalbetrag von z. B. 2.500 Euro für die Geschäftsanteile gezahlt, liegt ggf. eine Schenkung in Höhe von 497.500 Euro vor, die ggf. Schenkungs- oder Einkommenssteuer auslöst. Meist handelt es sich um eine so genannte „trockene Steuerlast“. Als „trockene Steuerlast“ wird z. B. die Situation bezeichnet, wenn ein Mitarbeiter für den Erhalt einer Beteiligung Lohnsteuer bezahlen muss, obwohl für ihn keine Möglichkeit besteht, die Beteiligung zu veräußern und hieraus die zur Bezahlung der Steuern notwendige Liquidität zu schöpfen. Wie dieses vereinfachte Beispiel zeigt, kann es schnell um sehr große Summen gehen.
Alternativen können so genannte virtuelle Beteiligungen oder Optionen auf Gesellschaftsanteile sein.
5. Zu viele Frühphasen-Investoren und Gesellschafter mit geringen Geschäftsanteilen am Startup beteiligt
Ein weiterer anzutreffender Fehler von Startups ist, dass sie in der Frühphase viele Investoren (meist Business Angel und „FFF“ – Family, Fools and Friends) mit geringen Geschäftsanteilen am Startup beteiligen. Es wird von einem „messed up cap table“ gesprochen. Beteiligungen, z. B. unter 3 Prozent der Geschäftsanteile des Startups sind nur ratsam, wenn es hierfür einen guten Grund gibt, da jeder Gesellschafter alle Gesellschafterrechte und damit eine starke Position erhält. Es kann zu ungünstigen Situationen kommen, wenn der Gesellschafter mit seinen geringen Geschäftsanteilen bei einer Finanzierungsrunde oder beim Exit versucht, seine Position durch eine Blockadehaltung massiv zu verbessern. Zudem bringen geringe Investments oder „Beratung gegen Beteiligung“ das Startup oft nur bedingt weiter. Wenn es Gesellschafter mit geringen Geschäftsanteilen gibt, ist ein besonderes Augenmerk auf die Verträge zu legen, damit Blockadehaltungen bestenfalls weitestgehend verhindert werden.
Auch die professionellen Investoren wie Venture Capital-Unternehmen wollen sich in der Regel nicht mit einer Vielzahl von Gesellschaftern auseinandersetzen.
Beteiligungen am Startup unter einem Prozent sollten nur in Ausnahmefällen und an wirklich hochkarätige kompetente Gesellschafter vergeben werden.
Sind bereits viele Investoren/Gesellschafter mit kleinen Geschäftsanteilen am Startup beteiligt oder ist dies geplant, sollte das sogenannte Pooling, bei dem die Gesellschafter in der Regel „zusammengefasst“ werden, in die Überlegungen einbezogen werden. Das Pooling kann unterschiedlich ausgestaltet werden. Eine weitere Möglichkeit sind „virtuelle Beteiligungen“, die keine echte Gesellschafterstellung einräumen, sondern nur eine finanzielle Beteiligung an einem Exit-Erlös gewähren.
6. Open Source-Software unter der falschen Lizenz in der eigenen Software enthalten oder Schutzrechte (IP) falsch genutzt
Computerprogramme, Bilder, Fotos etc., die im Internet kostenfrei zum Download bereitstehen, unterliegen nur in den seltensten Fällen der völlig freien Nutzung. Es gibt normalerweise (Creative-Commons-) Lizenzbedingungen, die zum Beispiel vorschreiben, dass der Urheber bei der Nutzung zu nennen ist oder die Open-Source-Software zwar überarbeitet, aber nicht gegen Zahlung eines Entgelts vertrieben werden darf. Das kann im Extremfall dazu führen, dass das Startup die eigene (mit Open-Source-Software kombinierte) Software nicht mehr wirtschaftlich verwerten, also verkaufen oder kostenpflichtig lizensieren, darf.
Zu beachten ist auch, dass bei einem Verstoß gegen Bestimmungen einer kostenlosen Lizenz eine abmahnfähige Rechtsverletzung vorliegt.
Sie sollten daher die Lizenzbestimmungen genau lesen, bevor Sie kostenloses oder kostenpflichtiges Material in Ihre eigene Software integrieren oder Bilder etc. nutzen. Des Weiteren sollten Sie Auftragsprogrammierer immer vertraglich verpflichten, keine Open-Source Software ohne Ihre ausdrückliche Zustimmung bei der Programmierung zu verwenden.
7. Schutzrechte gehören nicht dem Unternehmen
Denken Sie von Anfang an daran, Schutzrechte auf Ihr Startup zu übertragen, da Schutzrechte in der Regel nicht beim Unternehmen, sondern beim Menschen (z. B. Grafiker, Urheber oder Erfinder) entstehen. Bei fast allen von mir begleiteten Transaktionen waren (noch) nicht alle Schutz- oder Nutzungsrechte auf das Unternehmen übertragen worden. Spätestens in einer Finanzierungsrunde wird im Rahmen einer Due Diligence die Rechtekette geprüft, also z. B. die Verträge für die Übertragung oder der automatische Übergang vom Erfinder oder Urheber auf das Startup. Wurden keine Verträge mit Übertragungsklauseln abgeschlossen (z. B. freie Mitarbeiterverträge, Schutzrechtsübertragungsvereinbarungen) oder sind die Schutzrechte automatisch durch gesetzliche Bestimmungen übertragen worden, z. B. für Arbeitnehmer, aber nicht für Geschäftsführer (für Geschäftsführer sollte es immer eine gesonderte Regelung im Geschäftsführeranstellungsvertrag zur Übertragungspflicht einer Erfindung geben), durch das Arbeitnehmererfindungsrecht, sollten Sie nachträglich Schutzrechtsübertragungsvereinbarungen mit Mitarbeitern und anderen Beteiligten schließen.
Das wird umso schwieriger, je länger das Schutzrecht besteht, da gegebenenfalls Mitarbeiter nicht mehr für Ihr Startup arbeiten und sich im Streit getrennt haben. Vergessen Sie dabei nicht, dass nicht nur die Mitarbeiter, sondern auch die Gründungsgesellschafter selbst die Schutzrechte auf das Unternehmen übertragen müssen.
Wenn mit der Verwertung einer patentgeschützten Technologie sehr viel Geld verdient wird und hinsichtlich der Rechtekette und den damit in Zusammenhang stehenden Übertragungsvereinbarungen oder der Dokumentation des Erfindungsprozesses etc. nicht sorgfältig gearbeitet worden ist, kann es vorkommen, dass (ehemalige) Mitarbeiter oder jede andere Person, die an dem Entwicklungsprozess der Technologie beteiligt war, einen Streit über die Eigentumsrechte an den Patenten beginnen.
Diese ungeklärte Rechtssituation kann in einer Verhandlung über einen Lizenzvertrag oder den Verkauf eines Unternehmens zu einem Deal Breaker werden, der dazu führt, dass der potenzielle Lizenznehmer/ Käufer abspringt.
8. Insolvenzantrag nicht rechtzeitig gestellt
Einer der häufigsten Gründe für die persönliche Haftung des GmbH-Geschäftsführers ist die Insolvenzverschleppung, also die verspätete Stellung des Insolvenzantrags. Gerade Startups scheuen sich davor, einen Insolvenzantrag zu stellen, und versuchen auch in aussichtslosen Situationen, das Ruder herumzureißen.
Der Geschäftsführer hat aber spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung der Gesellschaft zwingend die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu beantragen. Ein Verstoß gegen diese Pflicht ist nach § 84 Abs. 1 Nr. 1 Abs. 2 GmbHG strafbar.
Die unter vielen Startups verbreitete/bekannte Dreiwochenfrist ist eine Höchstfrist, die nur ausgenutzt werden kann, solange mit einer erfolgreichen Sanierung innerhalb der Frist zu rechnen ist. Scheitern Sanierungsgespräche oder ist absehbar, dass eine Sanierung keinen Erfolg verspricht, ist der Insolvenzantrag unverzüglich zu stellen. Die Dreiwochenfrist darf in diesem Fall nicht voll ausgereizt werden.
Wenn Sie sich nicht sicher sind, ob der Tatbestand der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vorliegt, sollten Sie die Beratung eines spezialisierten Rechtsanwalts oder eines Steuerberaters zum Bestehen einer Insolvenzantragspflicht einholen. Das gilt insbesondere auch für positive Fortführungsprognosen, auf die sich viele Startups später berufen wollen.
9. Streit im Gründerteam ohne Lösungsmöglichkeiten in Gesellschaftervereinbarung oder Gesellschaftsvertrag
Streitigkeiten sind insbesondere bei haftungsbeschränkten Unternehmergesellschaften ein Problem, die mit der Mustersatzung gegründet worden sind, da in ihr keine Regelungen zu einem Gesellschafterstreit und vor allem der Auflösung des Gesellschafterstreits enthalten sind.
Gehen Sie davon aus, dass es in der Regel in jedem Startup zu einem Gesellschafterstreit kommen wird – mir ist kein Fall bekannt, in dem es nicht über kurz oder lang zu Diskussionen oder Streit zwischen den Gesellschaftern kam.
Gründen Sie daher immer mit einem Gesellschaftsvertrag, der Regelungen zum Streit zwischen den Gesellschaftern enthält und informieren Sie sich über die in der Startup-Welt etablierten Streitlösungsmöglichkeiten, wie z. B. Vesting- und Shoot-out-Klauseln.
10. Datenschutzrichtlinie nicht berücksichtigt
Nach meiner Einschätzung sind 80 Prozent der Geschäftsmodelle von Startups nicht datenschutzkonform. Mit den Änderungen, die durch die Datenschutzgrundverordnung im Mai 2018 eintreten werden, hat sich dieses Problem noch einmal verschärft.
Auf meine Nachfrage bezüglich des Datenschutzes haben mir die meisten Startups geantwortet, dass Ihr Geschäftsmodell datenschutzkonform sei. Das war aber so gut wie nie der Fall. Manchmal war damit nämlich nur gemeint, dass das Startup auf der Webseite eine Datenschutzerklärung vorhielt. Dies ist aber nur ein kleiner Aspekt der Datenschutzkonformität.
Um ein datenschutzkonformes Geschäftsmodell zu entwickeln, benötigen Sie in der Regel professionelle Hilfe.
Jan Schnedler ist Rechtsanwalt der Kanzlei Grenius Rechtsanwälte für Startup-Recht und ist Autor des Buches Startup-Recht.
Grenius Rechtsanwälte ist eine Hamburger Rechtsanwaltskanzlei. Wir beraten Erfinder, Existenzgründer, Start-Ups und mittelständische Unternehmen hauptsächlich mit Technologiebezug im Wirtschaftsrecht.
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