Jan Schnedler ist unser Fachmann für alle juristischen Fragen von Startups: Von der richtigen Gesellschaftsform bis zur Kapitalakquise, von Personalfragen über Haftung. In seinem Buch Startup-Recht gibt der Rechtsanwalt Gründer:innen praxisnahe und gut verständliche fachliche Unterstützung. In diesem Interview berichtet er uns, wie es der Startup-Szene während Inflation und gestiegener Zinsen geht. Und: erzählt von einer Schiffsreise.
Jan Schnedler, du arbeitest sehr viel mit Startups. Wie ist die Stimmung: Stellst du in Zeiten von (Energie-)Kostensteigerungen, Inflation und schwindender Konsumlaune eine höhere Vorsicht bei Gründerinnen und Gründerinnen fest?
Noch stelle ich keine Zurückhaltung zumindest bei IT- und innovativen Startups fest, das liegt aber vielleicht auch daran, dass Gründungen häufig einige Vorlaufzeit benötigen, bis das eigentliche Gesellschaft gegründet wird. Nächstes Jahr könnte es aber spannend werden. Ich denke, dass diese Krisen auch einige neue Möglichkeiten für Startups eröffnen.
Startups haben auch den Vorteil, dass Sie auf Krisen oder Veränderungen der Marktsituation viel schneller als Corporates reagieren können.
Ist es schwierig(er), Kapital zu finden oder zu erhalten?
Ja und Nein. Im Moment halten sich die professionellen Investoren wie VC-Fonds sehr zurück und investieren kaum noch in Startups, obwohl viele VC-Fonds prall mit Geld gefüllt und auch noch einige große Fonds nach Ausbruch des Krieges geclosed wurden. Für Startups, die einen Finanzierungbedarf über 10 Millionen Euro haben, ist es im Moment sehr schwierig. Viele Investoren erwarten, dass sich die Startup-Bewertungen bei diesen Scale-Ups noch deutlich reduzieren werden.
Es werden wahrscheinlich einige bekannte Startups in den nächsten 6 Monaten Insolvenz anmelden, so dass andere Startups deutlich geringere Bewertungen akzeptieren werden. Aus diesem Grund haben fast alle größeren Scale Ups 20-30 Prozent der Mitarbeiter entlassen, um die Runway zu verlängern. Also: den Zeitraum, um mit dem letzten Investment das Startup finanzieren zu können. Hintergrund ist, dass sie nicht die ersten sein wollen, denen das Geld ausgeht.
Bei den frühen Gründungen in den Frühphasen sehe ich dieses Problem nicht. Business Angels und Unternehmer investieren nach wie vor in innovative Gründungen und die Finanzierungsrunde sind in der frühen Phase in den letzten beiden Jahren auch viel höher geworden. Wo früher 300.000 Euro eingesammelt wurde, wird heute 500.000 Euro eingesammelt.
In welchen Branchen wird nach wie vor gegründet, wo beobachtest du Wachstumsfelder?
Ich betreue viele Startups im Bereich Künstliche Intelligenz, was ein boomender Bereich ist. Mit einem guten Gründerteam und einem echten KI-Produkt ohne Bullshit-Bingo ist es kein großes Problem, eine Frühphasen-Finanzierung zu bekommen. Nachhaltigkeit und alles um das Thema ESG, Green Energie und Medtech, aber auch Security: Diese Themen haben Investoren im Fokus. Mittlerweile kann man sogar für Waffentechnologien privates Geld finden.
Ich persönlich finde besonders die Geschäftsmodelle spannend, die sich mit der Konvergenz der Technologien beschäftigen, also der Kombination von unterschiedlichen Technologien. Wir sind da an einem Punkt angelangt, wo 1 plus 1 in diesem Bereich oftmals nicht mehr 2 ergibt. Massiv wird mittlerweile auch von den Regierungen und Investoren in das Thema Quantum investiert.
Wie können innovationsgetriebene Unternehmen, die gerade anfangs viel Kapital brauchen, jetzt gut durch die Krise kommen?
Es hilft sehr, Investoren an Bord zu haben, die nach-investieren können. Alle VC-Fonds legen derzeit größere Beträge für die Startups zurück, in die sie schon investiert haben. Den Startups ist zu empfehlen, derzeit gut mit dem erhaltenden Investment zu haushalten und sich Zeit zu kaufen. Fast jeder, der in den nächsten sechs Monaten größere Investments braucht, hat wohl ein Problem, wenn das reservierte Geld der eigenen Investoren nicht ausreicht.
Welche Finanzquellen könnten jetzt eine größere Rolle spielen, und worauf sollte man bei jeweils in juristischen Fragen achten?
Für die innovativen Startups in der Frühphase sind im Moment auch die staatlichen Fördermittel interessant. Ich habe auch im letzten Jahr immer mehr positive Berichte über den High-Tech Gründerfonds gehört. Auch wegen der Inflation sind aktuell viele private Kapitalgeber an Investments in Startups interessiert. Man sollte sich aber immer gut überlegen, ob man völlig unerfahrene Startup-Investoren im Cap-Table haben möchte. Das kann auch schwer nach hinten losgehen und zum Problem werden.
Mitte Januar fährst du gemeinsam mit weiteren Experten und rund 200 Gründerinnen und Gründerinnen auf Schiffstour. Die Entrepreneurship-Fähre bringt nicht nur schöne Aussichten, sondern vor allem viel Zeit und Platz zum Vernetzen und Voneinander-Lernen. Kannst du mehr darüber erzählen?
Die 4-tägige Gründer-Kreuzfahrt von Travemünde nach Helsinski war eine Idee von Oliver Rössling, der viele coole Communities, wie 12min.me, aufgebaut hat. Als Olli die Gründer eines Kultur-Fährreise-Unternehmen – Simon Eichinger und Felix Schulz – kennenlernte, wurde so fast zwangsläufig die Entrepreneur-Ship-Idee aus der Taufe gehoben. Sie haben ein tolles viertägiges Programm mit Workshops, Talks, Deep-Dives und Partys geplant, und das zu sehr günstigen Preis, der so nur durch Sponsoren möglich ist. Anmeldungen sind auch noch möglich.
Lieber Jan Schnedler, ich danke Dir für das Gespräch und wünsche, natürlich: genügend Wasser unter dem Kiel!
Buchtipp
Startup-Recht: Praktischer Leitfaden für Gründung, Unternehmensführung und -finanzierung
Von Jan Schnedler
452 Seiten, 2. Auflage 2020
Print: 39,90 € (D), E-Book: 31,99 € (D)
Inhaltsverzeichnis, Leseprobe und Bestellmöglichkeit unter oreilly.de.
Erhältlich bzw. bestellbar in allen On- und Offline-Buchhandlungen.
Über Jan Schnedler
Rechtsanwalt Jan Schnedler, LL.M., berät seit vielen Jahren technologieorientierte innovative Startups. 2011 gründete er seine eigene Rechtsanwaltskanzlei. Nebenbei ist er in der Geschäftsführung des Artificial Intelligence Center Hamburg (ARIC) tätig. Er ist Schiedsrichter am Czech Arbitration Court, zertifizierter Datenschutzbeauftragter und Mentor beim Google Launchpad Accelerator und hat selbst mehrere Startups wie z.B. die Ynicorn GmbH gegründet.