Das “IT-Recruiting-Handbuch” bietet umfassendes Know-how für Unternehmen, die ihre IT-Abteilung verstärken wollen: Es stellt die branchenspezifischen und auch weniger bekannten Stellenbörsen vor und analysiert Stellenanzeigen, führt durch Einstellungsprozesse, behandelt Grundlagen vom Employer Branding bis zu Gehaltsverhandlungen und erklärt auch heikle Fragen wie die Kündigung während einer Probezeit. Neben Checklisten und vielen praktischen Tipps überzeugt das Buch durch Interviews mit Bewerber*innen.
Im oreillyblog sprechen wir mit der Autorin Martina Diel.
Liebe Martina, herzlichen Glückwunsch zum neuen Buch. Mit dem IT-Karrierehandbuch, das ebenfalls bei O’Reilly erschien, hattest du dich an Bewerber*innen gerichtet. Dein neues Buch beschreibt nun die Best Practices für Unternehmen, die IT-Fachkräfte gewinnen möchten. Kannst du uns von deinem beruflichen Hintergrund berichten?
Ich bin ja seit ungefähr 25 Jahren in der IT-Branche in wechselnden Rollen tätig und hatte dort auch immer wieder mit dem Recruiting für Festanstellungen und für Kundenprojekte zu tun. Da sieht und erlebt man so einiges, im Positiven wie im Negativen. Noch ergiebiger sind in dieser Hinsicht aber die letzten 15 Jahre, in denen ich als Coach mit Klienten aus der IT-Branche gearbeitet habe. Es ist teilweise wirklich bizarr, von welchen Erlebnissen mir da berichtet wird, wenn es um den Umgang mit Bewerber*innen oder die Entwicklungsperspektiven der Mitarbeitenden geht.
Die Corona-Pandemie wirkte wie ein Brennglas auf die Digitalisierung, und einen deutlichen Wettbewerbsvorteil hatten die Unternehmen, die ihre IT-Infrastruktur bereits so aufgestellt hatten, dass Prozesse ohne weiteres digital weitergeführt werden konnten – von der Zusammenarbeit aus dem Home Office bis zum Absatz ihrer Produkte via Online-Shop. Spiegelt sich dies auch im Arbeitsmarkt?
Natürlich geht auch am IT-Arbeitsmarkt die Corona-Pandemie nicht spurlos vorüber – auch wenn Deutschland unter anderem aufgrund der Kurzarbeitsregelungen bisher recht gut dasteht. Die Stimmung in der Branche ist jedenfalls im Vergleich zur übrigen Wirtschaft nach einem tiefen Absturz Anfang 2020 doch wieder ganz gut, so jedenfalls zeigt es der Bitkom-Ifo-Digitalindex.
Unternehmen, bei denen Projekte weiterlaufen wie bisher, können sich die aktuelle Situation zunutze machen, weil da und dort auch sonst kaum verfügbare Experten von Stellenabbau betroffen oder bedroht sind und angesprochen werden können.
Andererseits: Viele IT-Expert*innen, die “in Lohn und Brot” stehen, neigen derzeit eher dazu, keinen Wechsel zu wagen, sondern die Entwicklung aus der gefühlten Sicherheit der aktuellen Position abzuwarten. Um auch solche Menschen zu begeistern, müssen Unternehmen besondere Anstrengungen leisten.
Ein Nebeneffekt der Pandemie ist sicher auch, dass das Thema Digitalisierung viel stärkere Aufmerksamkeit in breiten Bevölkerungsschichten genießt als zuvor: Ob es Diskussionen über die Corona-Warn-App sind oder Kopfschütteln über antiquierte Technik in Gesundheitsämtern – so manchem wird erst jetzt so richtig bewusst, welch entscheidenden Einfluss Informationstechnologie nicht nur auf unseren Alltag, sondern auch ganz direkt auf unsere Gesundheit haben kann.
Wie unterscheidet sich das IT-Recruiting von der Personalgewinnung in anderen Branchen?
Dass in der IT ein Fachkräftemangel herrscht wie in kaum einer anderen Branche, ist ein alter Hut. Geredet wurde davon schon lange, jetzt wird die Situation immer schmerzhafter für Arbeitgeber mit Ambitionen in digitalen Themen. Anders als die ebenfalls händeringend gesuchten Pflegekräfte sind die typischen Nerds nicht so leicht mit der Aussage abzuspeisen, ihre Tätigkeit sei gesellschaftlich so wichtig und gute Arbeitsbedingungen oder ein angemessenes Gehalt daher nebensächlich.
Immer mehr IT-Expert*innen kennen ihren Wert und sind auch bereit, offensiv zu verhandeln. Darauf werden sich Unternehmen einstellen müssen, beispielsweise, indem sie den für viele schweren Schritt gehen, den Gehaltsrang schon in der Stellenanzeige zu nennen. Stepstone versucht jedenfalls, Inserenten von der Sinnhaftigkeit dieses Schritts zu überzeugen und gibt bis dahin bei Stellenanzeigen eigene Gehaltsschätzungen an.
Warum fällt es manchen Unternehmen so schwer, Mitarbeiter*innen zu finden?
Bei vielen Arbeitgebern ist einfach noch nicht angekommen, dass die Kräfteverhältnisse auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr eindeutig zu ihren Gunsten stehen. Vorstellungsgespräche werden oft noch als Gelegenheit betrachtet, um zu prüfen, ob der Bewerber oder die Bewerberin auch “gut genug” für das Unternehmen ist – dabei ist es schon längst ein gegenseitiges Kennenlernen geworden, das auf der vielzitierten Augenhöhe stattfinden sollte.
Selten nehmen Arbeitgeber die Perspektive desjenigen ein, den sie für ihr Unternehmen gewinnen wollen – täten sie das, würde ihnen sicher sehr schnell auffallen, womit man sein Gegenüber vor den Kopf stößt: nichtssagende Stellenanzeigen, gebrochene Terminzusagen, Jobinterviews, auf die sich erkennbar niemand vorbereitet hat, und am Ende der Mühen dann womöglich noch “Ghosting”[1]
[1] “Ghosting is a colloquial term used to describe the practice of ceasing all communication and contact with a partner, friend, or similar individual without any apparent warning or justification and subsequently ignoring any attempts to reach out or communication made by said partner, friend, or individual. https://en.wikipedia.org/wiki/Ghosting_(relationships).
Headhunter und Arbeitgeber bedienen sich häufig Methoden des Active Sourcing. Was versteht man darunter?
Vereinfacht gesagt ist Active Sourcing der Versuch, neue Mitarbeitende für das Unternehmen zu identifizieren, anzusprechen und schließlich auch zu gewinnen, indem man als Unternehmen von sich aus auf solche Personen zugeht, statt auf deren Bewerbungen zu warten.
Genau wie in anderen Branchen gibt es schon seit langem gibt es Headhunter für diese Aufgabe, speziell in der IT spielt aber auch Social Media eine große Rolle, wo gefragte Nerds mit – leider oft unpassenden – Anfragen oft geradezu überschüttet werden. Active Sourcing ist dennoch unverzichtbar, wenn man auf Fachpersonal angewiesen ist, und kann mit einer individuellen, auf Passgenauigkeit ausgerichteten Strategie auch gut funktionieren.
Welche Benefits sollten Unternehmen IT-Fachkräften bieten – und wie können sie diese im Recruiting-Prozess verdeutlichen, sodass Bewerber*innen anbeißen?
Welche Mitarbeitervorteile für IT-Expert*innen wichtig sind, lässt sich sicher nicht pauschal beantworten. Was allen gemeinsam sein dürfte, ist sicher der Wunsch nach selbstbestimmtem Arbeiten und Wertschätzung für das, was sie tun – aber das ist nichts, was man als “Benefit” verkaufen sollte, denn es ist die Conditio sine qua Non jeglicher Zusammenarbeit.
Auch Angaben wie “flache Hierarchien” oder “gutes Betriebsklima” sind belanglos oder selbstverständlich. Schon eher interessant wird es bei konkreten Angaben wie “3000 Euro jährlich für Weiterbildung nach eigener Auswahl” oder “Jobrad und Duschmöglichkeit vor Ort”. Das vermittelt die Botschaft “Dieser Arbeitgeber hat keine Angst, beim Wort genommen zu werden”.
In deinem Buch geht es auch darum, Fachkräfte im Unternehmen zu halten. Wie kann dies gelingen – insbesondere bei jüngeren Bewerber*innen, denen man eine höhere Wechselbereitschaft nachsagt?
Besonders wichtig bei jüngeren Mitarbeitenden dürfte sein, dass eine permanente Weiterentwicklung zunächst vor allem auf inhaltlicher Ebene möglich ist. Nach ein paar Jahren dürften sich die Wege gabeln: einige werden sicherlich Personalverantwortung anstreben und das machen wollen, was man herkömmlich “Karriere” nennt. Vielleicht noch mehr aber möchten sichergehen, dass sie sich weiter fachlich orientieren können, ohne dass sie stagnieren – beim Gehalt und bei den Aufgaben. Entscheidend ist da, nicht auf die Tools und Techniken festgelegt zu werden, die man bereits beherrscht, sondern immer wieder die Chance zu bekommen, neue Produkte und Methoden zu erproben.
Welche Rolle spielt eine transparente und verbindliche Unternehmenskultur für das IT-Recruiting?
Vielleicht noch mehr als andere Arbeitnehmer*innen durchschauen IT-Fachkräfte es sehr schnell, wenn Wertschätzung nur eine Worthülse ist und man nicht in der täglichen Arbeit an einem Strang zieht, sondern Teamspirit durch aufwendige Events und irgendwelche teuren Goodies beschworen werden soll.
Entscheidend ist, dass die Aussagen des Managements und ihr Handeln zusammenpassen, dass Versprechen eingehalten werden, auch wenn es mal wehtut. Wer Sätze sagt wie “Unsere Mitarbeiter*innen sind unser wichtigstes Kapital” und sich dann in Zeiten von Corona mit Home Office schwertut, straft sich selbst Lügen. Umgekehrt kann es dauerhafte Loyalität erzeugen, wenn beispielsweise ein Beratungsunternehmen auf Umsatz verzichtet, wenn Kunden auf einem Vor-Ort-Einsatz bestehen.
Herzlichen Dank für das spannende Gespräch.
Das IT-Recruiting-Handbuch
Von Martina Diel
282 Seiten, 2021
Print: 34,90 € (D), E-Book: 27,99 € (D)
Achtung: bis 11. April 2021 gibt es das E-Book für nur 21,99 €!
Inhaltsverzeichnis, Leseprobe und Bestellmöglichkeit unter oreilly.de. Erhältlich bzw. bestellbar in allen On- und Offline-Buchhandlungen.
Profitiere von den Best Practices des IT-Recruiting
✔ Du lernst, wo du Mitarbeiter*innen für deine IT-Abteilung aufspürst, wie du sie gewinnst und wie du sie langfristig im Unternehmen hältst.
✔ Zahlreiche Tipps, Checklisten, Textbausteine, Tabellen und Beispiele lotsen dich anschaulich durch alle Aufgaben – von der Stellenanzeige über das Jobinterview bis hin zur Einarbeitung u. v. a. m.
✔ Eine umfassende Sammlung von Stellenbörsen, Social-Media-Plattformen, Bewerberdatenbanken und weiteren Online- und Offline-Orten zeigt dir, wo du Bewerber*innen aus der IT finden kannst.
[…] los, erstes Thema: IT-Recruiting. Als Co-Host konnten wir Martina Diel, Autorin unseres IT-Recruiting-Handbuchs und Heiner Duchow, Recruiter der Deutschen Welle, […]